Samuel Zinns Sohn Sigmund war in seiner Heimatstadt ein vielfach engagierter Mensch. Sowohl bei der Feuerwehr als auch bei der Turnerschaft war er in führender Position tätig und hochgeschätzt.
Stefan Zinn erhielt eine gute schulische Ausbildung, erlernte Englisch und Französisch, bevor er als Kaufmann für die Firma seiner Eltern arbeitete. Im 1. Weltkrieg wurde er im April 1915 zum Militärdienst eingezogen. Anfangs als Infanterist an der Front, diente er bald als Schreibhilfe und dann als Dolmetscher im Kriegsgefangenenlager Würzburg.
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Geschäftsgebäude der Firma Samuel Zinn & Co in Lichtenfels gegenüber dem Bahnhof (heute: Conrad-Wagner-Straße). In den 50er Jahren abgerissen zum Bau der Striwa. © Stadtarchiv Lichtenfels |
Wohl Anfang der 20er Jahre übernahmen Stefan und sein drei Jahre älterer Bruder Paul die Geschäftsleitung der Firma.
Am 1. Februar 1925 heiratete Stefan die 14 Jahre jüngere Berta Steinhäuser, die Tochter eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns aus Bayreuth, der aus Burgkunstadt stammte. Fünf Jahre später, am 5. Februar 1930, kam die erste und einzige Tochter Lieselotte zur Welt.
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Berta Zinn, 1939 |
Wohnhaus der Familien Paul und Stefan Zinn in der Lichtenfelser Bahnhofstraße (Bildmitte mit Turm) |
Die Familie bewohnte gemeinsam mit der Familie des Bruders eine repräsentative Villa nahe des Firmengebäudes (heute: Café Herold’s).
Ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung schützte die Familie nicht vor dem zunehmenden NS-Terror. Bereits 1937 reiste Stefan Zinn zusammen mit Alfred Marx in die USA, um Flucht- und Lebensmöglichkeiten zu erkunden.
Während der November-Pogrome 1938 („Reichskristallnacht“) drangen organisierte NS-Schlägertrupps in die Wohn- und Geschäftsräume ein und verwüsteten, was sie fanden. Tochter Lieselotte versteckte sich in dieser Nacht auf dem Dachboden. Stefan Zinn wurde grundlos arretiert und für drei Wochen „Schutzhaft“ ins KZ Dachau eingewiesen. Stefans Bruder Paul nahm unter dem Eindruck des NS-Terrors am 10.11. Gift und starb wenige Tage später im Krankenhaus Hochstadt.
Die Firma wurde unter dem NS-Druck aufgelöst, Stefan Zinn war genötigt, die Immobilien der Familie weit unter Wert zu verkaufen.
Stefan und Berta zogen die Konsequenzen: Als erstes brachten sie ihr Kind in Sicherheit, indem sie Lieselotte zu persönlich nicht bekannten Verwandten nach New York schickten. Am 22. April 1939 konnten sich Stephan und Berta Zinn in Southampton auf der „Nieuw Amsterdam“ einschiffen und trafen im Mai ihre Tochter in New York wieder.
Der Start in der neuen Welt war auch für Stefan Zinn (jetzt Stephen) und Berta (jetzt Bertl) hart. Die mittellose Familie lebte anfangs mietfrei gegen Haushälterdienste beim verwitweten Jerome Cahn und seiner Tochter Jenet in Brooklyn, Kings.
Bertl verdiente Geld als Chauffeurin, Stephen anfänglich mit Gelegenheitsarbeiten, bis er erfolgreich versuchte, seine Erfahrung und sein Know How einzusetzen: Er eröffnete in Brooklyn, New York einen Korbhandel - „Baskets of every description“. Mit der Zeit kam die Familie so wieder zu Wohlstand. Stephen unterhielt Geschäftsbeziehungen mit Europa, ja sogar mit der Lichtenfelser „Striwa“.
Tochter Lieselotte (jetzt Lilo) heiratete Daniel Webster Braun und zog nach New Jersey. 1950 bzw. 1952 kamen ihre Kinder Ronald und Linda zur Welt.
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Stephen und Bertl Zinn mit Enkelkind, Anfang der 50er Jahre © Familie |
Linda beschreibt ihren Großvater als stillen und zurückhaltenden Menschen. Stephen hatte bei Besuchen in dem Haus seiner Tochter und deren Familie in New Jersey stets Schokoriegel für seine Enkel dabei. Einer seiner Freunde besaß einen Süßwarenladen, welchen Stephen häufig mit seinen Enkeln besuchte, die sich dort heraussuchen konnten, was sie wollten. Er war ein liebevoller und großzügiger Großvater.
Im Juni 1974 starb Stephen Zinn in Brooklyn, Kings im Alter von 84 Jahren.